
Muay Thai
Thaiboxen oder Thaiboxing, der thailändische Nationalsport
Muay Thai - im europäischen Raum besser bekannt unter dem Begriff Thaiboxen oder Thaiboxing - ist der thailändische Nationalsport und kann als einer der ältesten Kampfkünste auf eine Jahrtausende alte Tradition zurückblicken.
Wörtlich übersetzt heißt Muay Thai "Freies Boxen" (Muay = boxen, treten, Thai = frei).
In Thailand existieren zahllose Gyms mit ca. 65.000 professionellen Kämpfern, aber auch in der westlichen Welt erfreut sich das Thaiboxen zunehmend großer Popularität. Das Muay Thai ist gekennzeichnet durch Faustschläge, Tritttechniken, sowie Knie- und Ellbogenkombinationen und wird daher auch als "The Art of the Eight Limbs" (Die Kampfkunst der acht Gliedmaßen) bezeichnet.
Das stilistisch auffälligste Merkmal des Muay Thai ist der Clinch. Dieser beinhaltet das Umklammern und Halten des Gegners im Stehen, bei dem versucht wird, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, den Kopf nach unten zu ziehen, sowie Knie- und Ellbogentechniken in der Nahdistanz anzuwenden. Handrückenschläge und diverse Wurftechniken runden die Vielfalt der technischen Möglichkeiten ab.
Trotz der Härte und Kompromisslosigkeit in den Wettkämpfen wird Respekt in diesem Sport groß geschrieben. Dies findet vor allem seinen Ausdruck in der Fairness gegenüber dem sportlichen Widersacher und dem dargebotenen Wai Kru (ritueller Tanz) vor dem Kampf (Wai = Gruß, Kru = Meister).
Ganz nach persönlicher Zielsetzung und Motivation kann Muay Thai als Fitness-Sport, Kampfkunst, Selbstverteidigung oder Wettkampfsport betrieben werden.

Geschichte des Muay Thai
Die genaue geschichtliche Entwicklung des Muay Thai ist schwierig zu rekonstruieren, da Ayuthaya, die damalige Landeshauptstadt Siams (heutiges Thailand) während des Krieges mit Birma (heutiges Myanmar) im Jahre 1767 durch die birmesischen Truppen erobert wurde. Durch die der Eroberung nachfolgenden Plünderungen und Brandschatzungen wurde Ayuthaya stark zerstört und auch zahllose Aufzeichnungen über die Kunst und Traditionen des Muay Thai wurden vernichtet. Der nachfolgende historische Abriss gilt aber allgemein als gesichert.
Die Thais lebten ursprünglich im Südwesten Chinas (Provinz Jiangxi, Hubei und Sichuan) und begannen sich ab dem 9. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Nordwestthailands niederzulassen. Die Landnahme war den von Norden her einfallenden mongolischen Stämmen geschuldet und dauerte bis zum 13. Jahrhundert an. In den zahlreichen Auseinandersetzungen mit der dort ansässigen indischstämmigen Urbevölkerung kamen hauptsächlich Waffen wie Schwert, Stock, Speer und Messer zum Einsatz.
Die mit diesen Waffen verbundene Kampfkunst wird unter dem Namen Krabi Krabong (frei übersetzt: Kurz-und Langwaffe) trainiert. Gingen die Waffen während der Auseinandersetzung verloren, wurde mit Hand-, Ellbogen- und Beintechniken weiter gekämpft. Es wird angenommen, dass so die Kampfkunst Muay Thai Ihre Ursprünge fand und in der darauffolgenden Zeit, angelehnt an die Erfahrungen aus den kriegerischen Auseinandersetzungen, immer weiter entwickelt und perfektioniert wurde. Archäologische Funde stützen allerdings auch eine andere Theorie, nach der die Ureinwohner Thailands lange schon vor dem Einsetzen der Völkerwanderung Kampftechniken kannten, die dem Muay Thai ähnlich waren.
Um 1220 besiegten die Thais die im Gebiet um Sukhothai ansässigen Khmer und befreiten sich von deren Joch. Schließlich bestieg 1238 der Thai Sri Indraditya als erster König der Sukhothai Dynastie den Thron und begründete damit das erste thailändische Königreich. Um 1279 bestieg Prinz Ramchamhaeng als dritter Herrscher der Sukothai-Dynastie den Thron. Dieser weitete den Herrschaftsbereich des thailändischen Reiches bis nach Laos, Burma und an die Grenzen Vietnams aus. Historischen Aufzeichnungen zufolge war es auch König Ramchamhaeng, der die thailändischen Kampfkünste reorganisierte und systematisierte. Das neue System war fester Bestandteil der militärischen Ausbildung und wurde ebenso in allen Schulen unterrichtet.
Im Jahr 1351 erfolgte die Gründung des Königreichs und der gleichnamigen Hauptstadt Ayuthaya. Die Bewohner mussten sich wiederholt dem birmanischen Streben nach Macht- und Landgewinn entgegensetzen, was unter anderem durch die Effektivität der Kampfkünste Krabi Krabong und Muay Thai bis ins Jahr 1569 gelang. In diesem Jahr wurde dann aber Ayuthaya als birmanische Provinz einverleibt. Im Jahr 1592 vertrieb der thailändische Prinz Narasuen - ein großer Meister der thailändischen Kriegskunst - die Birmanen wieder, nachdem er deren Thronfolger Prinz Minchit Sra in einem Zweikampf besiegte. Dieser Zweikampf ging als Sieg von Nong Sarai in die Geschiche ein und die Aufzeichnung darüber, gilt als erste offizielles Dokument in welchem Muay Thai Erwähnung findet.
Es folgte eine Zeit des Wohlstandes und des Friedens. Die thailändischen Könige waren sich der Bedeutung des Muay Thais weiterhin bewusst. Zahlreiche Stilrichtungen wurden miteinander verglichen und kombiniert, um die Effektivität des Muay Thai zu verbessern. Heute werden die Techniken dieser traditionellen Stile unter dem Namen Muay Boran (Boran = traditionell, alt) trainiert. Das Muay Boran geht weit über die waffenlosen Techniken des heutigen Muay Thai hinaus und basiert auf der Nachahmung verschiedener Tiere, die in Formen zusammengefasst sind, z.B. Tiger-, Kranich- und Wasserbüffelform.
Ayuthaya, damals eine der blühendsten Städte des Ostens, wurde 1767 erneut von den Birmanen eingenommen und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Viele Thais wurden damals von den Birmanen versklavt. Der Legende nach fragte der birmanische König bei einer Feier am 17. März 1770 die gefangenen Thais, wer von ihnen gegen die birmanischen Krieger kämpfen wolle. Der Thai Nai Kha Nom Tom trat an und besiegte die zehn besten birmanischen Kämpfer. Als Auszeichnung wurde ihm von den Birmanen ein Wunsch freigestellt, woraufhin Nai Kha Nom Tom seinem Wunsch gemäß nach Thailand zurückkehrte. Der 17. März wird deshalb bis heute als Tag des Muay Thai gefeiert.
Der Unterbefehlshaber Phraya Tak (Thaksin) entfloh aus der birmanischen Gefangenschaft und begann die versprengten Truppenverbände neu zu formieren. Innerhalb kurzer Zeit hatte er die alten Gebiete zurückerobert, als neuen Regierungssitz wählte er Thonburi. Im Jahre 1781 musste Taksin von seinem Offizier Phraya Chakri abgelöst werden. Phraya Chakri bestieg dann im Jahr 1782 als Rama I. den Thron. Er verlegt die Hauptstadt und den Regierungssitz von Thonburi nach Bangkok. Die Chakri-Dynastie, welche noch heute in Thailand herrscht, wurde von ihm begründet. Sein Nachfolger König Rama II. ließ im Bereich des Königspalastes das Wang Lang Stadio erbauen in welchem dem Volk sowohl Kämpfe mit Waffen als auch waffenlose Kämpfe dargeboten wurden
Die ersten Muay Thai Wettkämpfe in einem offiziellen Ring wurden 1921 ausgetragen und 1929 wurden zum ersten Mal Boxhandschuhe verwendet. Zuvor hatten die Kämpfer ihre Hände lediglich mit Hanfbandagen umwickelt. Ebenfalls in diesem Jahr wurden feste Rundenzeiten festgelegt. Bis dahin galt als Zeitmaß eine Kokosnusschale, welche ein Loch hatte und ins Wasser gelegt wurde. Ging die Schale unter, war der Durchgang beendet. Weitere Reglementierungen folgten und ebneten dem Muay Thai als Wettkampfsport seine Verbreitung in der ganzen Welt.

Wai Kru und Ram Muay
(Wai = Gruß, Kru = Meister)
Die Kämpfer zeigen vor dem Kampf den Wai Kru. Dies ist eine Verbeugung in Respekt und Dankbarkeit vor den toten und lebenden Meistern, dem Trainer und der eigenen Familie. Dem Wai Kru folgt das Ram Muay, bei dem der Kämpfer durch tanzähnliche Bewegungen eine Geschichte darstellt, bei dem seine Kampfstärke und -stil oder der Kampfverlauf im Vordergrund steht. Die klassische thailändische Musik begleitet den Wai Kru und den gesamten Kampf

Wettkampfsport
Amateure und Profis
Wettkämpfe im Amateur Muay Thai werden in Form von Nachwuchsturnieren, Ranglistenturnieren, Landesmeister-schaften, nationalen und internationalen Meisterschaften und Muay Thai Galas ausgetragen. Alle Kämpfe, Turniere und Meisterschaften im Amateur Muay-Thai werden nach den Vorgaben des Weltverbandes, der International Federation of Muaythai Amateur (IFMA) ausgerichtet. Durch die Zusammenarbeit des Muay Thai Bund Deutschland (MTBD) mit der IFMA, gelten diese Richtlinien im Amateurbereich für die Trainerlizenzierung, die Kampfrichterausbildung, als auch für das Prüfungsprogramm zur Erlangung von Kahngraduierungen (“Gürtelprüfung”). Im Amateur Muay Thai wird auf allen Veranstaltungen mit kompletter Schutzausrüstung gekämpft - eine Ausnahme bilden Kämpfe auf A und B-Klasse Niveau: Bei diesen entfällt der Körperschutz. Die Schutzausrüstung im Einzelnen:
Kopfschutz
Boxhandschuhe
Körperschutz
Ellenbogenschützer
Schienbeinschützer
Zahnschutz
Tiefschutz
Durch die Schutzausrüstung ist die Verletzungsgefahr für die Sportler gering und ermöglicht so eine regelmäßige Teilnahme an Amateurkämpfen um Wettkampferfahrung zu sammeln. Die Kämpfer und Kämpferinnen sind in verschiedene Leistungsklassen eingeteilt, die das sportliche und technische Niveau der Kämpfer widerspiegeln und gewährleisten, sowie die Einteilung in die Alters- und Gewichtsklassen.
Bei Wettkämpfen im Profi Muay Thai wird nach den original thailändischen Regeln ohne Schutzausrüstung gekämpft. Die einzige Ausrüstung, welche die Kämpfer während des Kampfes tragen, sind Boxhandschuhe, Zahn- und Tiefschutz. Es wird über eine Distanz von 5 Runden je 3 Minuten gekämpft und die Pause zwischen den Runden beträgt 1 Minute. Bei Kämpfen in thailändischen Profiarenen sind Pausen mit 2 Minuten üblich.
Es besteht auch für Nachwuchskämpfer die Möglichkeit nach Profi Muay Thai Regeln, also ohne Schutz-ausrüstung zu kämpfen, um Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln.
Sowohl im Amateur als auch im Profi Muay Thai wird unmittelbar vor dem Kampf der Wai Kru und Ram Muay von den jeweiligen Kämpfern gezeigt.
Die Techniken
Erlaubte Techniken im Muay Thai sind Schläge, Tritte und Stöße mit:
Faust
Ellenbogen
Knie
Schienbein
Fuß
alle Clinchtechniken, sowie Würfe aus dem Clinch
Nicht erlaubte Techniken und Aktionen im Muay Thai:
Nachschlagen oder Nachtreten
Hüft- und Schulterwürfe
gezielte Techniken gegen Gelenke und Wirbelsäule
Tiefschläge und Tieftritte
Kopfstöße
Ausspucken des Zahnschutzes
Festhalten an den Ringseilen
Missachtung der Anweisungen des Kampfrichters

Selbstverteidigung
Das Muay Thai wurde auf den Schlachtfeldern Südostasiens aus den Erfahrungen realer Kämpfe entwickelt und ständig verfeinert. Nur die Techniken hatten Bestand, welche sich im Kampf als erfolgreich erwiesen. Durch diese Entwicklung begründet und im Laufe der Zeit unzählige Male unter Beweis gestellt, ist das Muay Thai heute eine der effektivsten Kampfkünste der Welt.
Ergänzt durch die traditionelle Form des Muay Thai (Muay Boran), in dem auch Techniken verwendet werden, die im heutigen sportlichen Wettkampf nicht erlaubt sind, stellt sich das Muay Thai damit als ein vollständiges Selbstverteidigungssystem dar.